Eine Anmerkung zu historischen Tabletop Wargames, auch für Kritiker und besorgte Eltern

Heutzutage ist die Mehrheit der Tabletop Wargames in fantastischen Universen angesiedelt. Die ersten Spiele dieser Art repräsentierten jedoch eine zeitgenössische Kriegskunst. Schach, das Spiel der Könige, diente jahrhundertelang der militärischen Schulung von Feldherren. Zur napoleonischen Zeit entwickelten preussische Offiziere das Spiel weiter.

Mit dem Kriegsspiel erfanden sie einen zeitgemäßen Nachfolger vom mittelalterlichen Schach. Unter anderem ersetzten sie die abzählbaren Spielfelder des Schachbretts durch abzuschätzende Reichweiten. Die veralteten Turm-Figuren (eigentlich Belagerungstürme) wichen der modernen Waffentechnik, etwa Musketenregimentern und einer schweren Artillerie aus Kanonen. Außerdem gab es nun Geländemerkmale wie Hügel, die im Spiel einen strategischen Vorteil boten. Mit der Zeit versuchte man sogar die schwankende Verfassung von Soldaten und ungeplante Fehlbedienungen abzubilden. Der Zufall gewann an Bedeutung und das Ergebnis eines Angriffs wurde schwerer berechenbar.


Wesentlich später belebten geschichtlich Interessierte das Kriegsspiel erneut zum Leben, als eine Form des Denksports und zur Unterhaltung. Bis heute haben Tabletop Wargames mit realen, historischen Eigenheiten nichts an ihrem Charme verloren. Hätte man als gallischer Feldherr Vercingetorix die überlegenen, römischen Truppen Caesars vielleicht mit einer anderen Strategie besiegen können? Hatte der römische Feldherr Varus wirklich keine Chance gegen die Germanen vom Teutoburger Wald zu bestehen?

Leider stoßen Spiele, die Ereignisse aus der jüngeren Geschichte abbilden, gelegentlich auf Unverständnis. Es gibt Spiele die sich etwa mit Irakkrieg, Vietnam oder dem Dritten Reich befassen. Und leider gibt es Eltern und Reporter, die keine ernsthafte Recherche betreiben.

Ein Tabletop Wargame ist weder eine Gewaltverherrlichung noch eine Verharmlosung. Es ist eine strategische Abstraktion.

Um einen Konflikt nachzustellen müssen alle beteiligten Fraktionen vertreten sein, auch Diktaturen oder Schurkenstaaten. Die politische Meinung der historischen Feldherren entspricht dabei nicht der der heutigen Spieler. Wenn ein Spieler die Armeen von Mordor spielt, macht ihn das schließlich auch nicht zu einem bösen Magier aus Der Herr der Ringe.

Caesars reale Feldzüge kosteten mutmaßlich die Leben von einer Millionen gegnerischer Krieger. Dennoch ist sein ehemaliger Herrschaftssitz Rom heute eine touristische Attraktion. Wer heute das Kolloseum besichtigt, verherrlicht damit nicht die Blutrünstigkeit von Galdiatorenkämpfen.

Ähnlich verhält es sich mit historischen Tabletop Wargames. Beispielsweise bietet der 2. Weltkrieg eine ungeschlagene Vielfalt an Schauplätzen, involvierten Völkern und Technologien. Damit stellt er gewissermaßen eine der größten "strategischen Attraktionen" der menschlichen Geschichte dar. Natürlich nehmen wir von der politischen Gesinnung die seinerzeit vorherrschte Abstand. Wir wollen auch nicht die Grausamkeit und Tragik von realen Gefechten, wie bei Stalingrad oder am Omaha Beach, herunterspielen.

Wenn ein Spiel derartige Gefechte nachstellt, geht es um strategisches Können. Meistens stehen auch Modellbau und Miniaturenbemalung im Vordergrund. Aber wie beim Bauernopfer des Schachspielers, sind auch Verluste im Tabletop Wargame vollkommen gewaltfrei. Wir entfernen nur Spielfiguren von einem Spielfeld.

Wer eine gesunde Distanz zur realen Geschichte nicht wahren kann, macht um historische Wargames lieber einen großen Bogen. Strategische Herausforderungen kann man schließlich auch mit Elfen, Orks und Jedirittern erleben.